Wetterhornsagen aus dem böhmisch-bayerischen Grenzland – Ungläubiges Staunen vor 17 Jahren

Text und Bilder: Franz Völkl

Oberbernrieth. Seit jeher fürchtete die Landbevölkerung die Naturgewalten, denen sie schutzlos ausgeliefert war und die oft binnen kurzer Zeit den Lohn mühsamer Arbeit vernichteten. Man versuchte dieses Unheil durch das Läuten besonders geweihter Glocken, das Schießen von Hagelkanonen oder auch durch das Gebet vor der geweihten, schwarzen Wetterkerze abzuwehren. Eine Möglichkeit mancherorts war auch durch das Blasen von sogenannten Wetterhörner gegeben.

Uralt ist der Brauch des Wetterhornblasens, durch das man die heranziehenden Unwetterwolken von den heimischen Fluren abholten wollte. Der Oberbernriether Heimatpfleger Georg Schmidbauer ist neben seinem Nachbarn Josef Müller (Kramer Sepp) ein ausgesprochener Spezialist in Sachen Wetterhörner. „Die zum Blasen verwendeten Hörner sind Gehäuse einer besonders großen Meeresschnecke, des Tritonshorns“. Nachfolgend drei Beispiele aus dem böhmisch-bayerischen Grenzraum.

Das Oberbernriether Wetterhorn

Neulosimthal war ein Pfarrdorf, das zirka zwei Kilometer nördlich der Staatsgrenze zwischen Waldheim (Gemeinde Georgenberg) und Reichenthal lag. Heute ist Jedlina, wie Neulosimthal tschechisch heißt, eine Wüstung, nur der Friedhof ist noch in Teilen erhalten. Als Besonderheit wird aus früheren Zeiten gemäß den Ausführungen von Schmidbauer von einem Wetterhorn berichtet: „Ein Neulosimthaler ist im Besitze eines sogenannten Gewitterhornes (Trompetenschnecke), welches die Bezeichnung `Rom 1794` trägt. Diese Inschrift soll bedeuten, dass das betreffende Gehäuse im Jahre 1794 zu Rom vom Papste geweiht worden sei. Diesem Gehäuse wird nun die Kraft zugeschrieben, heranziehende Gewitter durch Blasen aufzuhalten oder ihnen eine andere Richtung zu geben“.

Auch im Dorf Pfrentsch, zwischen Waidhaus und Eslarn gelegen, wird laut dem Oberbernriether Heimatpfleger im Hause Lindner (Schneiderbauer) ein Wetterhorn, das sogenannte Ulrichshorn aufbewahrt, eine große Meeresschnecke, die der Einsiedler Wisner aus seiner Seemannszeit mitgebracht haben soll. Bei aufziehendem Gewitter blies er darauf, um das Unwetter zu vertreiben. Die Sage erzählt: Das alte Fischerdörflein Pfrentsch (die Ortschaft lag am größten Stausee des Mittelalters, dem Pfrentschweiher) hat, wie auch einige andere oberpfälzische Ortschaften, sein Wetterhorn: Einen Nautilus (Kahnmuschel), so groß wie ein Kinderkopf. Als einst der Weiher noch bestand, waren die Gewitter dort besonders schlimm und da hat man das Horn von dem Einsiedelmann auf dem Ulrichsberg vor mehreren hundert Jahren erworben. In einem weißen Tuch eingeschlagen, wird es bald da, bald dort bei den Eingeweihten wie ein Heiligtum aufbewahrt. Wenn ein Gewitter im Anzuge ist, dann wird das Wetterhorn geblasen und zwar am besten auf dem Platz, wo das Johannisfeuer abgebrannt wird. Das Gewitter zieht ohne Schaden vorüber. Die Muschel ist aber nicht so leicht zu blasen – im Gegenteil, eine große Geschicklichkeit und eine kräftige Lunge gehören dazu, denn ihr Ton solle die Erde erzittern. Kein Neugieriger bekommt sie je zu sehen und es ist ein streng gehütetes Geheimnis, wer das Wunderding gerade beherbergt.

Das Fahrenbergdorf Oberbernrieth war und ist im Besitz eines Wetterhornes, das der dortige Spezialist Josef Müller – der Kramer Sepp – furchteinflößend blasen kann. Er ist einer der renommiertesten Wetterhornbläser weit und breit. Der Fachmann behauptet fest, dass es sich beim Oberbernriether Wetterhorn nicht um eine mystische Legende, sondern um ein reelles Phänomen handelt. Seit Jahrzehnten bläst er die geweihte Muschel, die ein Pilger vor vielen hundert Jahren aus dem Heiligen Land mit zum Fahrenberg gebracht hatte. Als damals in der Nacht ein schlimmes Gewitter aufzog, hat der Pilger in seine Muschel geblasen – und das Unwetter zog fort. Zum Dank, dass man ihn im Bergdorf so gut aufgenommen hatte, überließ er später die Muschel den Oberbernriethern. Diese hüten das wertvolle Stück wie einen Schatz. Als die Waldthurner zu früheren Zeiten wegen ständiger Gewitter, die durch die Oberbernriether ins Waldthurner Land geblasen wurden, Unwetter, Hagel und Regen auf ihren Felder und Häusern hatten, schickten sie laut Kramer die Polizei. „Die Rechnung hatten sie aber nicht mit den schlauen Dorferern gemacht. Der „alte Feiler“ versenkte das gute Stück schnell im Erdäpflsuppentopf – die Gendarmen suchten, fanden aber das Wetterhorn nicht. Somit haben die Bewohner des Tals schließlich aufgegeben und seither kreist das Wetterhorn von Anwesen zu Anwesen zur Sicherheit im Bergdorf. Wer das „Verblasinstrument“ aufbewahrt, in welchen Turnus es wechselt ist ein streng gehütetes Dorfgeheimnis. Blasen kann es nur der Kramer.

Aufgehoben wird es in einem dunkelroten Samtsack, der vor schlechten Einflüssen schützt und den Ton im geweihten Wetterhorn bewahrt. Es sei sehr schwierig, dem Horn die nötigen Töne zu entlocken. Durch die enorme, gewöhnungsbedürfte Lautstärke lässt sich die Mystik des Vertreibens von Naturgewalten schon besser verstehen. Sündige Menschen könnten dieses Gerät nicht in Schwung bringen – und eine Frau hat nach Aussagen von Kramer die Muschel bisher nicht in der Hand gehabt. Man brauche eine besondere Begabung und besondere Lippen, die das Unwetter-Verblas-Instrument liebe- und hingebungsvoll an der vorgesehen Öffnung umschließen, erklärt der Oberbernriether. So richtig intensiv hat Müller vor 17 Jahren das letzte Mal die wunderbare Kraft des Horns festgestellt. Im Jahre 2003 kamen eine Reporterin und eine Fotografin einer landwirtschaftlichen Wochenzeitung nach Oberbernrieth, um eine Reportage über das liebenswerte Dorf zu erstellen. Schmidbauer stand im Hof seines Freundes Müller (Kramer) und die Fotografin bedauerte, so viele schöne Motive entdeckt zu haben, doch leider war der Himmel wolkenverhangen und es regnete immer wieder. Da schritt der Kramer so beiläufig zur Tat und fragte:

„Sollt i ebba s’Wetterhorn blous’n?“ Die Damen fragten sofort nach, was es mit dem Wetterhorn auf sich habe. Während der Kramer Sepp ins Haus ging, um das Horn zu holen, erzählte Schmidbauer die alte Heimatsage, was den Besucherinnen sehr gefiel. Der „Sepp“ entlockte nun dem Wetterhorn einige schaurige Töne, was die Damen sehr erheiterte. Doch dann blieb ihnen das Lachen im Hals stecken: Nach etwa zehn Minuten erstrahlte ein herrlicher blauer Himmel über Oberbernrieth. Ungläubiges Erstaunen, ja ein leiser Schauer erfasste die Frauen und sie glauben noch heute mit Sicherheit an die Wirkung des Wetterhorns.